Gerne erinnere ich mich noch an mein erstes Fußballspiel, damals zusammen mit meinem Vater. Und oft prägen einen ja die ersten Erlebnisse, irgendwie hat man noch nicht wirklich eine klare Meinung und letztendlich ist der erste Eindruck dann oft der bleibende.
Mein Vater war damals oft in München unterwegs - beruflich - und ich durfte ihn besuchen. Zum Zeitvertreib am Wochenende war dann auch schnell der Besuch eines Fußballspiels ausgemacht, da gab es ja immerhin zwei Vereine zur Auswahl, damals. Vielleicht ist es nun Schicksal, dass an dem Wochenende die Bayern im altehrwürdigen Olympiastadion zuhause gegen die Eintracht aus Frankfurt spielten. 4:1 Sieg für die Roten, seither ein Fan oder sagen wir an der Stelle "Sympathisant".
Ich kann mit den überemotionalisierten Darstellungen und Anfeindungen nichts anfangen, konnte es nie und werde es wohl nie können. Ja, auch ich hab Sport betrieben, leistungsorientiert, Handball, durchaus höherklassig. Ich kann Emotionen im Sport schon einschätzen, ehrliche Emotionen - ich kann auch jeden Sportler verstehen, wenn er im Eifer des Gefechts über das Ziel hinaus schießt.
Aber dieses "betriebsblinde" Gehabe, immer andere sind Schuld und der eigene Verein darf eigentlich niemals verlieren. Wenn es dann doch eine Niederlage gibt, dann sind es ganz, ganz viele Gründe.
Genau da setzt mein Frust an - und er wird immer größer. Auch wenn "mein" Verein verliert, dann versuche ich das recht analytisch einzuschätzen, geht nicht immer, aber oft.
Leider bietet der Fußball inzwischen in meinen Augen viel zu viel Angriffsfläche durch die Willkür, die im Spiel steckt. Irgendwo ist Fußball doch recht einfach und wird vielleicht zu hoch stilisiert - Du musst nicht prellen, keine Schritte beachten, eigentlich nur den Ball nach vorne treten und hinterher laufen. Aber gerade um diese Einfachheit wird der Sport doch beraubt, wenn wirklich jede und ich meine jede Situation in einzelnen Nuancen auseinander geschraubt wird und kontextuell bewertet wird.
Kürzlich hieß es von einem ehemaligen Weltstar sinngemäß : Er könne das Gerede um Regelwerk nicht mehr hören, wir haben doch Richtlinien, Orientierungen und Menschlichkeit. Ich glaube zu verstehen, was er gemeint hat, aber ist diese Willkür nicht dann beim nächsten Mal wiederum Grund für endlose Diskussionen. Braucht es denn nicht doch eben ganz einfache, klare Maßgaben, so wie sie (fast) jede andere Sportart hat.
- Schiedsrichterentscheidungen: Ich sagte es bereits, man verlangt Klarheit, Empathie, konkrete Aussagen, aber doch Fingerspitzengefühl. Letztlich will man weiß und sucht doch schwarz. Mir tun die Schiedsrichter leid, eigentlich können sie gar nichts mehr richtig machen, weil es fast keine klaren Entscheidungen gibt und selbst wenn sie denn existieren, dann hätte man doch mehr Gefühl walten lassen sollen. Inzwischen gibt es den VAR, der dauert dann zu lange und schreitet an falschen Stellen ein. So hat doch der Fan aus dem Oberrang schon ganz klar das Foul erkannt. Ich sehe die Wichtigkeit der Vermeidung von Fehler in der Über-Kommerzialisierung des Fußballs. In meinen Augen ist da kein Raum mehr für zu viel Interpretation - dazu später mehr. Aber generell steht neben dem Ergebnis viel zu viel auf dem Spiel, als das wir das Spiel noch so spielen, wie früher (z.B. Arbeitsplätze bei einem Abstieg u.s.w.).
- Rudelbildungen: Was lobe ich mir die Zeitstrafen in anderen Sportarten! Da sprinten beim Fußball teilweise Spieler aus den entlegensten Ecken des Spielfelds um den Schiedsrichter ihre Sicht der Dinge aus gefühlt 80 Meter Entfernung mitzuteilen. Und das dann auch noch Nase an Nase - ich glaube wirklich, dass dies in keiner, zumindest kaum einer anderen Sportart so zugelassen wird. Auch andere Sportarten haben Emotionen und teils sicher sogar höheren Druck (bspw. in Einzelsportarten). Aber irgendwie spielen sich diese Szenen in keiner anderen Sportart derart gehäuft ab. Zusätzlich haben die meisten anderen Sportarten für Schiedsrichter zusätzliche Handhabe parat, um dieser Art der "Kommunikation" Herr zu werden. Was würde denn gegen temporäre Unterzahl sprechen, also Zeitstrafen, anstelle mit gelben Karten oder gar roten Karten agieren zu müssen. Zumal gefühlt nach einer ersten gelben Karte die Meßlatte bis zu einer weiteren gelben (dann gelb-roten) Karte nicht mehr verhältnismäßig ist. Ja die Empathie eben.
- Kontextuelle Fouls: Werde ich nie verstehen, warum ein und dieselbe Handlung je nach Ort auf dem Spielfeld eine andere Auslegung zulässt. Alleine der viel gepriesene Satz von Moderatoren, Ex-Spielern und Reportern : "Das ist mir zu wenig für einen Strafstoß" , zwei Minuten später die gleiche Aktion vor dem Strafraum ist dann Foul und Freistoß. Ziehen hier ist Zweikampf, ziehen dort ist rote Karte weil ... genau warum eigentlich?
- Handball oder Fußball: Komisch kommt mir auch immer vor, dass beim Sport namens Fußball gerade in Zweikämpfen so arg mit den Händen gearbeitet wird. Ziehen, Schubsen, Klammern ... was mir als ehemaligem Handballer noch klar ist, erklärt sich mir im Fußball nicht. Alleine schon der Gedanke, dass sich manch langsamer Abwehrspieler einen unlauteren Vorteil gegenüber dem sprintstarken Außenangreifer verschafft. Man stelle sich mal vor was passiert, wenn Abwehrspieler die Händer nicht mehr zu Hilfe nehmen dürfen und einfach ins Laufduell gehen müssen! Holla, da fallen vermutlich einige Tore mehr oder sagen wir, der Unterhaltungswert steigt, weil es mehr Aktionen in Tornähe geben dürfte.
- Pseudo-Nostalgie: Wie gesagt, ich erinnere mich gerne an mein erstes Fußballspiel. Aber das waren andere Zeiten. Auch die "Experten" von heute müssen sich doch eingestehen, dass ihr Fußball, den sie teilweise vor 15-20 Jahren gespielt haben, mit dem Fußball von heute weder in der Art des Spiels noch in der wirtschaftlichen Betrachtung übereinstimmt. Teilweise habe ich das Gefühl, dass die Leute nicht loslassen wollen oder können. Die FIFA bzw. UEFA zeigt doch sehr deutlich, dass die Bolzplatz-Romantik nicht mehr existiert. Turnierformat nach Turnierformat wird aus dem Boden gestampft, erst gestern kam die Meldung, dass die kommende WM um 40 Spiele aufgebläht wird. Spieler werden mit Multi-Millionen-Deals ausgestattet, Transfers und TV-Gelder in nie gekannten Höhen ausgehandelt, politische Statements an den Sport geknüpft. Aber immer noch soll es doch der einfache Fußball sein und bleiben. Erschließt sich mir nicht ... irgendwie fühlt es sich an, dass wir uns entscheiden müssen. Wollen wir Erfolge, Wachstum, Fortschritt oder träumen wir von "gestern", als wir im Garten die WM nachgespielt haben. Die Tore waren einfach durch zwei Pullover als Pfosten markiert, ein einfacher Ball und jeder war sein eigenes Idol ... ist aber leider nicht mehr. Meiner Ansicht nach hat die Entwicklung, vor allen Dingen die Geschwindigkeit der Entwicklung viele Nostalgiker überholt. Nur gemerkt haben die es noch nicht.
Nicht, dass ich nun nie wieder Fußball schauen würde, nein! Aber ich kann mir leider nur noch in seltenen Fällen diesen Sport als reine oder echte Unterhaltung ansehen, immer öfter muss ich abschalten oder kann mir nur die Highlights anschauen.
Ist leider so.