Eine meiner Lieblingsfloskeln : "Früher war alles besser". Inzwischen hat sich das Bild differenziert, manches ja, manches nein. Ich mag die Abenteuer unserer Zeit und bin sehr gespannt, was wir bzw. ich noch alles erleben darf. Es heißt ja, dass mit dem Alter die gefühlte Geschwindigkeit für Zeit zunimmt.
Stimmt schon - ich hatte schon immer einen Bekannten- und Freundeskreis, der nicht nur ausschließlich aus Gleichaltrigen bestanden hat. Das war im Wesentlichen dem geschuldet, dass ich früh ins Vereinsleben - im Handballverein - gekommen bin. Da war die Durchmischung, aber vor allem der gegenseitige Respekt groß. Das führte dazu, dass Jugendliche und Erwachsene sich auf Augenhöhe austauschen konnten und nicht immer der erhobene Finger gezeigt wurde. Dabei wurden Altersunterschiede bisweilen total irrelevant. Heute, wo die gefühlte Geschwindigkeit der Zeit dann eine andere ist, da merkt man dann doch - oh man die Jungs sind 10 Jahre jünger oder eben auch mal entsprechend älter. Es wird einfach mehr bewusst.
Wenn wir einfach nur unsere Dinge des Alltäglichen abarbeiten, dann erleben wir nicht viel. Wenn wir die Moment emotional intensiv erleben, dann kann sich Zeit schon mal dehnen (gefühlt eben). Aber genau da liegt irgendwie das Dilemma der heutigen Zeit, der Generation Y oder Z bzw. der Babyboomer. In meinen Augen war die Diskrepanz der Empfindungen noch nie größer.
Was ich damit meine? Die Durchmischung der Gesellschaft, gerade hinsichtlich des Alters ist mehr denn je gegeben. Nicht zuletzt ein Grund - wir werden älter im Durchschnitt. Bloß hat sich meiner Meinung nach der relative Wert der Zeit geändert. Ich kann es kaum anders ausdrücken - vielleicht am ehesten so : Pro Einheit Zeit gab es früher X Veränderungen und heute sind es Y. Genau beziffern kann ich es nicht, aber ein Erklärungsversuch ist, dass durch Internet und der immer schneller werdende Datenaustausch die Entwicklung der Menschen in Sachen Möglichkeiten ("Power in the Pocket") komplett überrollen.
Klar die Geschichte der Mobiltelefone ist durchaus älter (Die Geschichte der Smarthones), schon 1992 gab es erste Versuche, aber so richtig salonfähig machten die intelligenten Telefone erst Apple und Goole mit ihren jeweiligen Betriebssystemen, ca. 2008. Als dann ca. 2010 die Tablets durchstarten (Die Geschichte der Tablets) geht die Datenevolution endlich in den Vollgas-Modus. Aus den beständigen teils linearen Entwicklungen wird eine exponentielle Kurve. Apps, stärkere Verbreitung des Internet bieten ganz neue Möglichkeiten Geschäfte zu erledigen. Unternehmerische Aktivitäten können per Knopfdruck erledigt werden und schier endlose Informationen sind immer dabei, egal wo und egal wann. Wer jetzt aus dem Takt gerät, verliert den Anschluss an die Entwicklung, die bis heute mehr und mehr an Fahrt aufgenommen hat.
Ähnlich ist es in einem anderen Umfeld. Das Bitcoin-Manifest wurde 2008 veröffentlicht (Bitcoin Manifest), gemeinhin wird heute Bitcoin (leider) als Synonym für Crypto genutzt, was in den teils widersprüchlichen und emotionalen Bewertungen für Verwirrung stiftet. Aber dieses Thema ist nun gerade erst knapp 15 Jahre alt - unser Geld (gemeinhin FIAT) gibt es in der Grundform seit dem 11. Jahrhundert bzw. in Europa ca. ab dem 17. Jahrhundert. Wenn nich nun nicht ganz falsch rechne, um die 500 Jahre, wenn man nun mal von Gold und Silber als Währung absieht.
Dennoch zeigen beide Beispiele, dass gerade Menschen aus einer "anderen" und zwar vormaligen Zeit, die heute naturgemäß auch entsprechende Positionen bekleiden / aber auch im privaten Umfeld, diese neuen Entwicklung mit den teils innovationshindernden Argumenten bewerten. Bleiben wir beim Beispiel Cryptographie, die übrigens bei Weitem mehr als nur Bitcoin ist, wird im Alter von 15 Jahren mit etwas verglichen, was bereits 500 Jahre währt und im Übrigen auch seine Skandale und Probleme verursacht hat.
Ich bedauere das total und glaube auch offen gesagt, dass diese Menschen teilweise gar nicht in der Lage sein können, die Hochgeschwindigkeitsentwicklung umfassend zu bewerten. Teilweise aus dem Interesse des Selbsterhalts der Systeme - wer kann schon ein Interesse daran haben, seine eigene Position überflüssig zu machen. Teilweise aber auch, weil es schlicht kaum möglich ist, bei der Fülle an Innovationen, Ideen und Neuigkeiten, welche auf uns einprasseln den Überblick zu behalten.
Die Beobachtung und Entwicklung ist insofern relevant, dass die gemeinsame Plattform, vielleicht sogar das Wertesystem der einzelnen Generationen mehr und mehr auseinanderdriftet. Am Beispiel E-Banking. Genügend Menschen nutzen noch die konventionelle Methode mit Überweisungsträger, jüngere Generationen wickeln Anlagen, Investitionen und sogar Einnahmen à la YouTube, Twitch, TikTok etc. über's Handy ab. Wir müssen notgedrungen unseren Innovationshunger und die -geschwindigkeit bremsen, weil Teil der Gesellschaft abgehangen werden. Hier fehlt uns dann der Mut die Geschwindigkeit beizubehalten und anstatt dessen die Gesellschaft zum Aufholen zu animieren. Lieber Komfortzone statt Abenteuer.
Auch die Tatsache, dass die Apollo 11, die Mondrakete, deutlich weniger Rechenleistung verbaut hatte, als die heutigen Handys, muss uns doch mindestens in Erstaunen versetzen. 0,043 MHz gegenüber geschätzten 2490 MHz in einem iPhone - grob bedeutet MHz technische Zustandsveränderungen im Elektromagnetfeld. Stark vereinfacht, so viele Rechenübungen kann ein Computer in der Sekunde verrichten. Wenn wir dann begreifen, welche Macht wir mit einem Handy besitzen - richtig angewandt, außer WhatsApp und Telefonieren - dann ist offensichtlich, dass die Generationen von unterschiedlichen Voraussetzungen sprechen.
Nur die Entwicklungen rund um künstliche Intelligenz, welche die nächste Billiarden-Dollar-Industrie werden soll, versprechen einiges an Spannung. Früher hieß es die Kinder zum Lesen zu animieren, bloß nicht zu viel Zeit vorm Fernseher, keinen Computer, kein Handy. Ich überlege zunehmend, ob man den Kindern damit nicht Wettbewerbsvorteile nimmt - es ist einfach nicht mehr die "gute, alte Zeit".
Ich behaupte, die älteren Generationen und selbst meine Generation X, können kaum mehr ergreifen und begreifen, welche Möglichkeiten vor uns liegen. Es ist einfach zu schnell. Dennoch, ich mag Disruption, ich bin gespannt, was noch vor uns liegt.
Ja "Früher war alles besser", aber "Früher" gibt es nicht mehr.